Drei Wochen und drei schöne Ziele im Mai zum Wandern, Radfahren, Vögel beobachten und zum Fotografieren: Dümmer See, Steinhuder Meer und natürlich wieder Nationalpark Hainich. Der Dümmer und das Steinhuder Meer sind "ornithologisch betrachtet" in dieser Jahreszeit echte Hotspots in Norddeutschland und im Hainich, meinem absoluten Lieblingswald, ist es für mich sowieso perfekt zur Bärlauchblütenzeit. Das waren meine besten drei Wochen seit mehr als 25 Jahren betreffend körperlicher Fitness und 'Naturerlebnisse'. Schade, dass Andrea diesmal nicht dabei war. Das Herz meines Spenders oder meiner Spenderin ermöglicht mir Erlebnisse und Aktivitäten, wie ich es mir eigentlich nicht mehr vorstellen konnte und wie ich es ohne die Transplantation nicht mehr erlebt hätte. Unbeschreiblich und manchmal immer noch unbegreiflich - ich lebe! Ich lief nahezu täglich mit Rucksack bis zu 20 Kilometer rund um Seen, durch Feuchtwiesen, Moore und wunderschöne Wälder, beobachtete interessante Vogelarten und andere Wildtiere, hatte wunderbare Begegnungen mit netten Menschen und - kaum zu glauben - wieder richtig große Freude an allem! Das war für mich der beste "Ausflug" seit einem Vierteljahrhundert!
Besonders schön fand ich einige Beobachtungen von Vogelarten, die ich teilweise schon seit Jahren nicht mehr in Deutschland gesehen hatte. Und das liegt ausnahmslos an den Biotopen, die ich besucht habe: Einigermaßen intakte Feuchtwiesen und Schilfgürtel an Seen gibt es leider kaum noch und mit dem Dümmer See, dem angrenzenen Ochsenmoor und dem Steinhuder Meer habe ich in Niedersachsen zwei tolle (wenn auch auch aus meiner Sicht viel zu kleine) Gebiete zur Beobachtung von Vogelarten, die man sonst im Land kaum noch zu Gesicht bekommt. Mit entsprechender Geduld und etwas Glück konnte ich dort u.a. Fischadler, Seeadler, Rohr- u. Kornweihen, Rohrdommeln, Moorenten, Blau-, Braun- u. Schwarzkehlchen, Wiesenpieper, Rohr- u. Feldschwirle, viele Rohrsängerarten und Limikolen, Trauerseeschwalben und sogar eine Weißbart-Seeschwalbe beobachten. Und mir lief ein wunderschönes Säugetier mit großer Beute vor die Linse. Das Foto ist ein Glückstreffer: Beim Fahrradfahren sah ich, dass sich das hohe Gras seltsam am Wegesrand bewegte und reagierte sofort - ich hatte keine zwei Sekunden Zeit, um anzuhalten, die Kamera zu greifen und das Bild zu machen. Es ist nicht perfekt, aber es wird mich beim Betrachten an diese beeindruckende (wenn auch äußerst kurze) Begegnung erinnern!
Ein weiteres Highlight waren die tollen Beobachtungen von Uferschnepfen. Die Wiesen waren in diesem Frühjahr über weite Flächen überflutet und das erzeugte oft eine ganz besondere Stimmung. Ende Mai war viel los unter den Schnepfen: Die Balz war auf dem Höhepunkt und es gab spannende Situationen zu beobachten. Mit etwas Glück gelangen mir sogar ein paar nette Aufnahmen von diesen wunderschönen Limikolen (Regenpfeiferartige Vogelarten bzw. Watvögel). Leider gibt es in Deutschland nur noch wenige Brutpaare, weil es kaum noch intakte Feuchtwiesen gibt.
Die Schafstelze auf dem Bild unten ist in Niedersachsen eine Ausnahmeerscheinung. Es handelt sich um ein Männchen der Unterart iberiae - eine "Iberienschafstelze" (sehr wahrscheinlich ein Hybrid Iberienschafstelze x Wiesenschafstelze, weil die weiße Kehle nicht klarer zur gelben Brust abgegrenzt ist), die normalerweise in Nordafrika, Portugal und Spanien brütet. Man erkennt es an der weißen Kehle und dem etwas dunkleren Augenstreif bzw. den dunkleren Ohrdecken im Vergleich zur bei uns brütenden Wiesenschafstelze. Vielleicht war es dem spanischen Papa des kleinen Kerlchen dank der von Menschen verursachten Klimakrise mittlerweile einfach zu warm im Süden. Eine männliche "echte" Iberienschafstelze wurde ein Jahr zuvor am gleichen Standort gesichtet! Es wird vermutet, dass Nachkommen gezeugt wurden. Aber wer weiß das schon so genau - auf jeden Fall ein hübscher und nicht alltäglicher Vogel in Niedersachsen.
Im September gab es eine Tour nach Norddeutschland, um den Vogelzug zu beobachten. Das Wetter spielte einigermaßen mit und viel zu sehen gab es ebenfalls. Ich habe ein paar schöne Beobachtungen machen können, auch wenn es (zumindest mir) immer stärker auffällt, dass die Anzahl der Singvögel von Jahr zu jahr weniger wird. Beeindruckend waren die großen Starenschwärme und vor allem der Kranichzug. Und tatsächlich gab es einen neuen Rekord an meinem 3. Jahretag meines Lebens mit dem Spenderherz: Mehr als 65.000 wurden "offiziell" genau da gezählt, wo ich vor exakt drei Jahren den Anruf mitten in der Nacht bekommen habe, dass man ein passendes Spenderherz für mich hat! Besucht habe ich auf dieser Tour viele Zugvogel-Hotspots an der deutschen Nord- und Ostseeküste sowie mehrere Regionen in Brandenburg. An drei großen Kranichrastplätzen habe ich innerhalb weniger Tage ingesamt weit mehr als 110.000 Kraniche gesehen - für mich mein persönliches Orni-Highlight des Jahres! (Zahlen von www.kraniche.de)
In der Nähe von Berlin gab es eine ganz seltene Beobachtung: Es hielten sich in einem Teichgebiet über mehrere Tage bis zu 12 Zwergscharben auf. Unten sieht man ein Belegfoto eines Tieres. Die Zwergscharben sind mit den Kormoranen verwandt, aber wesentlich kleiner. Sie haben ihre nördliche Verbreitungsgrenze südlich der italienischen Alpen bis weit in den Osten hinein. In den letzten Jahren gab es bereits einige Sichtungen in Bayern, aber soweit im Norden sind sie bisher eine absolute Ausnahmeerscheinung. Ich schreibe "bisher", da zu erwarten ist, dass sich diese Art auch aufgrund der Klimaerwärmung langsam weiter nach Norden ausbreitet.