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Chronische Erkrankung: Urlaub und Reisen - alles rosig und toll?


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Schöne Fotos auf denen meist die Sonne scheint - na, da geht es doch jedem gut, oder? Was hinter der Kamera los ist, interessiert in der Regel die meisten Betrachter von Bildern nicht. Das Foto mit seiner Wirkung ist entscheidend. Ist es informativ oder langweilig, erzählt es eine Geschichte oder ist es nichtssagend, ist es ästhetisch ansprechend oder nur schlecht geknipst - kurzum: gefällt es oder nicht? Wer hinter der Kamera steht und unter welchen Bedingungen ein Bild entstand, erfährt man aber so gut wie nie.

 

Ich muss nicht mehr überlegen, ob ich mit meinen gesundheitlichen Problemen an die Öffentlichkeit gehe - ich habe es schon Ende 2014 auf meiner alten Homepage www.joerg-rueblinger.de getan. Sie entstand damals in einem Isolierzimmer einer großen Universitätsklinik, in der ich über vier Monate verteilt eine spezielle Therapie erhielt:

 

Ich habe seit mehr als 20 Jahren eine fortschreitende Herzmuskelschwäche. Blöderweise sind mittlerweile beide Ventrikel dilatiert und pumpen kaum noch. Der Zustand des Herzens lässt sich leider auch nicht mehr verbessern, die Prognose ist suboptimal und die körperliche Belastbarkeit mittlerweile sehr gering. Weit vom Auto entfernen, geht kaum noch ...

 

Diese Wohnmobil-Tour, von der ich seit mindestens 18 Jahren träume, habe ich nur durch und mit Andrea realisieren können. Wenn ich ihr nicht begegnet wäre, wäre es düster geworden in meinem Leben und die Entscheidung, ein neues Wohnmobil zu kaufen, um damit "durch die Welt" zu fahren, wäre mit Sicherheit nie getroffen worden. Ich weiß nicht wie und auch nicht wie lange der weitere Verlauf von "Hesslingers-Reise(n)" noch sein wird, aber ich weiß, dass es die beste Entscheidung war, die ich in den letzten zwei Jahrzehnten getroffen habe.

 

Nun, hinter meiner Kamera sieht es oftmals ganz anders aus, als es die Fotos von schönen Landschaften bei Sonnenschein vermuten lassen: Ich habe häufig mit schweren Herzrhythmusstörungen und der sehr geringen Herzpumpleistung zu kämpfen. Ich kann dann wegen Schwindel- und Übelkeitsattacken in den schlechten Phasen fast nicht mehr geradeaus schauen, bekomme kaum noch Luft und auch im Kopf fehlt der Sauerstoff, sodass ich in solchen Momenten manchmal so gut wie nicht mehr ansprechbar bin. Die Hände und Füße werden blau und taub, an den Beinen bilden sich heftige Ödeme und auch Lunge, Leber und der Magen-Darm-Trakt machen Probleme. Zum Glück kündigen sich diese Zustände bisher immer an, bevor es richtig schlimm wird - ich gefährde daher weder andere noch mich akut und für den unvorhersehbaren plötzlichen Notfall habe ich ja einen implantierten Defibrillator bei mir. Blöd ist es aber, wenn ich mit Ausrüstung und voller Tatendrang loslaufe und es mich dann unterwegs erwischt. Es ist die extreme Leistungsschwäche, die mich letztlich auch psychisch fix und fertig macht. Selbst kleine Spaziergänge sind in den schlechten Phasen, die durchaus mehrere Tage anhalten können, nicht möglich. Immer häufiger geht es mir mit dem Kreislauf und den Arrhythmien so mies, dass ich gar nicht mehr gehen und stehen kann. Also heißt es dann immer wieder abwarten bis es mir etwas besser geht (diese Phasen gibt es zum Glück noch!), um dann mal mit der Kamera eine kleine Runde zu drehen und die Sehenswürdigkeiten anzuschauen.

 

Ein großes Problem ist für mich als Naturliebhaber darüber hinaus noch die Tatsache, dass ich auf Grund einiger Medikamente und einer Kollagenose eine sehr starke Sonnenlicht-Unverträglichkeit habe, bei der selbst Sonnencreme mit LF 100 (ja, das gibt es mittlerweile) nicht wirklich weiterhilft. Lediglich der Kack-Hut, das am Körper klebende langärmlige Hemd, die lange Hose, die Socken und die geschlossenen Schuhe schaffen es, dass ich nicht ständig wie ein roter Lobster herumlaufe. 

 

Das alles schreibe ich vielleicht auch, weil ich gerade ganz konkret darüber nachdenke, wie lange ich wohl noch mit Andrea reisen und mit einer Kamera durch die Gegend laufen kann. 

 

Ich freue mich jedenfalls auf jeden neuen Tag!

 

Nichts geht mehr! (A)
Nichts geht mehr! (A)
Medikamente für zwei Wochen
Medikamente für zwei Wochen

Chronisch krank und dennoch Reisen?

 

Wenn ihr euch fragt, warum ich das alles hier im Reiseblog schreibe:

 

Die Krankheit spielt leider auch bei der Reiseplanung eine große Rolle. Aus Sicherheitsgründen verteile ich die Medikamente so, dass ich immer für mindestens eine Woche versorgt bin - für den Fall, dass uns etwas abhanden kommt, bzw. gestohlen wird. Im Auto ist der große Vorrat, ein weiteres Depot in meiner Kameratasche und noch eines in einer Tasche, die wir immer dabei haben, wenn wir das Auto verlassen. Die wöchentlichen Infusionen habe ich im Kühlschrank des Wohnmobils. Hilfreich ist für den absoluten Notfall eine Medikamentenliste (möglichst "offiziell" vom Arzt) mit den Wirkstoffen und der Dosierung, damit evtl. auch die Medikamente im Ausland besorgt werden können. Sinnvoll ist es auch einen aktuellen und ins englische übersetzten Arztbericht mit den jeweiligen Diagnosen, den man dann beim Arztbesuch im Ausland vorlegen kann mitzunehmen. Auch für eventuelle Grenzkontrollen ist es von Vorteil, diese Unterlagen vorlegen zu können, bevor man verdächtigt wird, Drogen zu schmuggeln!

 

Die wöchentliche Zufuhr von "ein paar menschlichen Antikörper" soll Schlimmeres verhindern. Das geht auch im Wohnmobil ...
Die wöchentliche Zufuhr von "ein paar menschlichen Antikörper" soll Schlimmeres verhindern. Das geht auch im Wohnmobil ...

Reise-Checkliste für chronisch Kranke: 

  • Ausreichende Information über die Gesundheitsbestimmungen und -gegebenheiten des jeweiligen Reiselands besorgen
  • Vor einer längeren Reise ist es sinnvoll, einen Gesundheits-Check beim Arzt machen
  • Notfallausweis besorgen und ausfüllen
  • Ein mindestens zweisprachiges Attest (in deutscher und englischer Sprache) über Ihren Krankheitsverlauf und Ihre Medikamente besorgen
  • Notwendige Medikamente in ausreichender Menge mitnehmen. Aus Sicherheitsgründen mehrere Depots anlegen. Notfallration wichtiger Medikamente für ~3 Tage möglichst immer mitführen (Rucksack, Handtasche). Die Ersatzbeschaffung im Reiseland kann schwierig sein und ist nicht immer in der gewohnten Qualität möglich.
  • Ärztliche Versorgung im Reiseland abklären, evtl. Ärzte- und Krankenhaus-Listen ausdrucken und mitnehmen
  • Für Betäubungsmittel und sehr starke Schmerzmittel je nach Reiseland eine Bescheinigung des Regierungspräsidiums über die medizinische Notwendigkeit besorgen
  • Einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz für Auslandsaufenthalte abschließen
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Aktualisierungen 2022



Kommentare: 4
  • #4

    Kathrin (Freitag, 30 Juni 2017 21:31)

    Hallo Ihr Zwei,
    ihr habt wunderschöne Bilder und Erlebnisse, die ihr mit uns teilt. Vielen Dank! Ich wünsche Euch von Herzen eine baldige Weiterfahrt Richtung Norden. Ich hoffe und drücke Jörg die Daumen, dass die Gesundheit mitmacht.

  • #3

    Kite80 (Mittwoch, 28 Juni 2017 16:28)

    Ich finde es gut, dass du so offen schreibst. Es ist toll, dass ihr beide jetzt diese Reise machen könnt. Ich werde jedenfalls nicht bis zur Rente warten, um meine Träume zu verwirklichen...

    Übrigens finde ich den Blog echt gut!

  • #2

    marcel (Montag, 26 Juni 2017 19:54)

    wow, heftige geschichte! toller blog, tolle bilder! schöne liebeserklärung! man sieht meist nur die oberfläche von den dingen! alles gute euch beiden!

  • #1

    PetraL65 (Montag, 26 Juni 2017 12:23)

    Hallo, ich bin ganz begeistert von deiner Homepage und finde es großartig, dass du mit deiner Krankheit so offen umgehst. Du macht Menschen wie mir (ich habe auch schwer Rheuma) Mut.

    Wünsche euch Gesundheit und eine weiterhin tolle Fortsetzung der Reise!

    Grüße, Petra