Immunadsorptionstherapie 2018 - mein Tagebuch


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Eine Immunadsorption (IA) ist vergleichbar mit einer Blutwäsche, ähnlich einer "Dialyse", wobei bei diesem Verfahren jedoch über spezielle "Filter" ganz bestimmte, für den geschwächten Herzmuskel "schädliche" Antikörper aus dem Blut herausgeholt werden.

 

1. Zyklus März 2018, Tag 1: 

Es ist wieder einmal soweit. Meine Herzschwäche lässt mich einfach nicht mehr zur Ruhe kommen. 2014 lag ich bereits viermal für jeweils neun Tage wegen einer IA-Therapie hier im Krankenhaus nahe der polnischen Grenze. Es ist Freitag, mein Aufnahmetag im Krankenhaus. Natürlich habe ich ein „Déjà-vu“ als ich nach mehr als vier Jahren wieder in der Universitätsklinik in Greifswald ankomme. Auf der kardiologischen Wachstation erkenne ich Ärzte wieder, viele Pflegerinnen und Pfleger und dank meines guten visuellen Gedächnisses anscheinend auch jeden Winkel in der Klinik. Seltsam vertraut, die Universitätsmedizin in Greifswald an der Ostsee. Vieles holt mich hier ein. Langsam auch die Gefühle und Sorgen, die ich beim ersten Therapie-Block hatte.

 

Auf dem Weg zum ersten Herz-Ultraschall bin ich noch recht gelassen und zuversichtlich. Das ist während der Untersuchung schlagartig vorbei. Ein kurzer Blick in die Augen der jungen Ärztin hat gereicht! Es ist die Katastrophe, die ich zwar irgendwann erwarten musste, aber jetzt ist es Fakt: Mein Herz ist kurz vor seinem Ende. 15 bis 20% Pumpleistung wurden in der Heimat gemessen - hier in Greifswald stufen die Ärzte mein Ejektionsfraktion etwas höher ein, aber diese Messabweichung sind normal und wenig aussagkräftig. Das ist verdammt wenig und erklärt all die schlechten Tage der letzten Wochen. Die plötzliche Wassereinlagerung überall im Körper, die extreme Atemnot, das Erreichen meiner Belastungsgrenze nach nur wenigen hundert Metern laufen in der Ebene und erst recht nach ein paar Treppenstufen, die extreme Übelkeit, der starke Schwindel, die Konzentrationsstörungen, der ständige Reizhusten und vor allem der aufgeblähte Bauch und die Magen-/Darmprobleme haben ein und dieselbe Ursache: Mein Blut zirkuliert nicht mehr richtig durch meinen Körper! Besonders die Rechtsherzinsuffizienz sorgt für Stauungen in vielen Organen.

 

Als ob dieser Schock nicht genug wäre, es geht gleich beschissen weiter.

 

Richtig mies ist auch die erste Nacht: Ein „Déjà-entendu“, also ein irritierendes „hab' ich schon mal gehört“. Ich liege wieder in meinem "Isolierzimmer" und versuche meine Gedanken zu sortieren und etwas Schlaf zu finden. Aus dem Nachbarzimmer höre ich jedoch ab 20 Uhr durch die extrem dünnen und hellhörigen Wände scheinbar exakt die gleichen Geräusche wie im Januar 2015: Eine offensichtlich unter starken Schmerzen leidende Frau jammert und ruft in einer Tour. Die ganze Zeit versuchen Pfleger und Pflegerinnen die Patientin zu beruhigen. Zu allem Übel erbricht die Frau und bekommt einen Teil davon in ihre Lunge. Kaum zu glauben, wie sich soetwas anhören kann. Über eine Stunde lang geht es lautstark zu. Ich bekomme alles mit – wirklich alles. Ein Arzt kommen hinzu, dann hört es sich an, als ob die Lunge abgesaugt wird und alles wird von dem Gestöhne und Schreien der Frau übertönt. All das habe ich vor drei Jahren schon einmal ähnlich erlebt. Sie bekommt anscheinend ein starkes Schmerz- bzw. Beruhigungsmittel, denn plötzlich wird das Stöhnen etwas leiser und verstummt schließlich. Endlich. Die Nacht ist trotzdem eine Katastrophe für mich. Und wahrscheinlich für noch viele andere in diesem Krankenhaus...

 

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Tag 2: 

Heute ist Samstag. Die letzte Nacht war fürchterlich. Trotz Ohrstöpsel höre ich ständig die Geräusche aus den Nachbarzimmern und der Leitstation gehört. Fast durchgängig verschiedene und recht laute Alamsignale, weil ständig Patienten ernste Probleme haben: Herzrhythmusstörungen, Atemprobleme, Schmerzen, Übelkeit, Schlaflosigkeit und vieles andere. Die Nachtschwestern bzw. Pfleger haben ganz schön Stress! Auch ein klein wenig mit mir. Obwohl sogar die Heizung an ist, friere ich wie verrückt. Meine Körpertemperatur liegt nur bei 34.8° Celcius - mehrfach kontrolliert. Ich hatte das vor ein paar Wochen auch bei mir Zuhause. Ob es von der Herzschwäche kommt? Keine Ahnung. Erst eine zweite dicke Decke bringt etwas Wärme in den Körper und nur mit der mitgenommenen "Schlafmaske" zum Abdunkeln gegen die ungewohnte Helligkeit der Kontrollmonitore gelingt es dann doch noch müde zu werden. Ich schlafe wohl erst gegen vier Uhr ein und um fünf Uhr geht die Tür schon wieder auf: Blutabnahme, Blutdruck und Sauerstoffsättigung messen. Das Übliche. Ich bekomme noch kurz ein Thermometer ins Ohr gerammt und versuche danach wieder einzuschlafen. Erfolglos: um 5:30 Uhr reißt tatsächlich dieselbe Putzfrau, die schon vor drei Jahren meine Nächte immer wieder jäh beendete, die Zimmertür auf, macht das grelle Licht an und poltert mit ihrem Schrubber durchs Zimmer und vor allem ordentlich gegen mein Bett. Nicht lustig - auch nicht die Tatsache, dass sie jedesmal meine Schuhe so weit unters Bett schiebt, dass ich nicht mehr dran komme, ohne das Bett zu verlassen. Es gibt Dinge, die ändern sich anscheinend nicht. "Und täglich grüßt das Murmeltier" - hier im Krankenhaus ist es die "Polternede Putzfrau" ...

 

Der Tag zieht sich - es gibt einfach kein Programm und das doofe Warten darauf, das die Zeit vergeht. Noch zwei Tage, dann beginnt die Immunadsorptionstherapie. Ich erkunde die Klinik in der Hoffnung, neue Gänge oder wenigsten ein paar Veränderungen zu finden - aber Fehlanzeige! Hier der Greifswalder Gegend geht aktuell noch die Influenza um, deshalb haben die Ärzte mir geraten, dass ich sicherheitshalber mit einem Infektionsschutz vor Nase und Mund herumlaufe und versuche, keine Türklinken anzufassen. Und vor allem: Nicht mit den Händen ins Gesicht kommen und möglichst oft die Hände waschen! Ab Montag wird es dann etwas riskanter für mich, denn dann wird mein Immunsytem heruntergefahren. Eine Woche ohne richtige Immunabwehr! Denn dann werden nahezu alle Immunglobuline (Antikörper) werden herausgefiltert. Die "besonders bösen" Antikörper, die das Herz schädigen, die anderen bösen, die den Systemischen Lupus unterstützen  - aber eben leider auch die guten ...

 

Tag 3: 

Sonntag. Endlich scheint die Sonne hier im durchgefrorenen Osten der Republik und die Luft wird angenehm warm. Heute stirbt ein Mensch auf dieser Station. Ein paar Zimmer weiter hängt das Bild einer brennenden Kerze in der Klemmvorrichtung an der Tür. Zutritt untersagt. Es wird wohl auf die Angehörigen des frisch Verstorbenen gewartet, oder auf den Bestatter. Und wenn die da waren, wird wieder geputzt. Auch meine Zimmernachbarin ist verstummt - es liegt schon wieder eine andere Patientin mit einer Tachykardie darin. Das ist ein extrem schneller Puls und ist sehr unangenehm - ich kenne das sehr gut!

 

Es ist wie ein Taubenschlag: Rein und raus geht's hier auf der Wachstation. Leer sind die Zimmer nur, wenn sie gerade gereinigt werden.

 

Mir geht es heute nicht so gut. Ich bin zwar etwas belastbarer, aber in den Ruhephasen kommt es ständig zu irgendwelchen Blutstauungen in verschiedenen Organen. Mir ist brechend übel und ich habe keinen klaren Kopf. Morgen Früh geht es bei mir endlich los. Der Dilalysekatheter wird gelegt und dann werde ich endlich an die "Waschmaschine" angeschlossen. Langsam werde ich etwas unruhig. 

 

Tag 4 und Tag 5: 

Die Immunadsorptionstherapie verläuft bislang wie geplant, erwartet und befürchtet. Es gibt keine größeren Unterbrechungen und mein Zustand ist erwartungsgemäß beschissen. Der Blutdruck liegt lange Zeit zwischen 60/40 und 75/50. Viel niedriger geht es bei mir nicht. Ich sehe manchmal schon Sternchen und das Bild vor meinen Augen wird ab und an unscharf und verschwimmt. Gesicht und Körper lagern immer mehr Wasser ein, alles spannt. Ein paar der kleinen Falten verschwinden dafür. Wenigstens ist die Schwester, die mich während der Therapie betreut, supernett und witzig. Das ist ein Lichtblick! So blöd grinsen wie auf einigen Fotos kann ich manchmal nur für die kurze Zeit der Belichtung des Fotos. Davor und danach ist mein Gesichtsausdruck oft ein anderer. Selbst das Hochhalten der kleinen Kompaktkamera strengt unheimlich an. Im Grunde ist es aber sehr gut auszuhalten. Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen keine Komplikationen auftreten.

 

 Tag 6:

"no news are good news" : Im Grunde verlaufen die letzten Tage weiterhin so, wie es zu erwarten war. Mir geht es nicht sonderlich gut, aber den Umständen entsprechend ordentlich. Seit gestern habe ich keine richtige Immunabwehr mehr. Fast alle Immunglobuline - besonders die IgG - sind herausgefiltert worden. Das ganze Verfahren läuft technisch einwandfrei...

       

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Tag 7: 

Das Liegen fällt mir allmählich sehr schwer. Ich bin es nicht gewohnt, mehr als 20 Stunden am Tag auf ein und derselben Matratze zu liegen. Alle Muskeln sind verspannt - vor allem die im Nacken. Das liegt auch am Venenkatheter im Hals, der mich eine seltsame Kopfhaltung einnehmen lässt. Hört sich jetzt alles dramatisch an - ist es aber eigentlich nicht! All das war vorher klar. Es kommt jetzt nur darauf an, ob die Therapie anschlägt oder nicht. Das Blöde ist jedoch, dass die anstrengenden 9-10 Tage - fünf davon hängt man täglich von 8 bis 15 Uhr an der "Waschmaschine"  und während der letzten beiden Tage bekommt man wieder "neue" IgG per Infusion zugeführt - hier im Krankenhaus insgesamt viermal ausgehalten werden müssen: Wenn nichts dazwischen kommt, gibt es drei oder vier Zyklen im Abstand von vier Wochen - also 30 bzw. 40 Tage im Greifswalder Klinikum. Dann ist das erste halbe Jahr 2018 auch schon längst herum. Hauptsache, ich bin dabei... 

 

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Tag 8: 

Es kommt anders als geplant. Die Therapie muss an ihrem letzten "Waschtag" abgebrochen werden. Die Blutwerte laufen aus dem Ruder. Es wäre zu riskant, die Immunadsorption fortzusetzen. Ich bin nicht glücklich darüber, denn gerne hätte ich das Maximum der Antikörperentfernung erreichen wollen. Aber die Sicherheit geht vor. Heute beginnt deshalb auch schon die "Auffüllung" mit menschlichem IgG. Leider bekommt mir die anfänglich recht hohe Dosierung bzw. die zu schnelle Verabreichung nicht: Fürchterliche Kopfschmerzen und starker Schüttelfrost plagen mich. Es wird wieder unterbrochen und dank  Schmerzmittel geht es mir nach einer guten Stunde deutlich besser. Abends geht die IgG-Rückführung dann deutlich niedriger dosiert weiter. Alles verläuft problemlos. Nur die schlechten Gerinnungswerte machen mir etwas Sorgen und verzögern auch die eigentlich notwendige Entnahme des Dialysekatheters, der mir immer noch im Hals steckt. 

 

Tag 9: 

Es dauert bis zum Mittag bis die Ärzte grünes Licht geben: Die Gerinnungswerte sind wieder soweit in Ordnung, dass man es wagt, den ZVK zu ziehen. Es klappt alles gut. Ich bin froh, dass das Ding nun draußen ist. Die 4 Flaschen mit je 100 ml IgG-Infusion laufen mit 10ml/Stunde schrecklich langsam und zwingen mich, insgesamt 40 Stunden am Tropf zu hängen. Morgen Früh sollte ich es aber endlich geschafft haben. Dann habe ich auch wieder meine "normale" Immunabwehr, die aber im Vergleich zu gesunden Menschen reduziert ist. Da hier im Osten gerade die zweite heftige Influenza-Welle abläuft, muss ich weiterhin extrem aufpassen, um mir nichts einzufangen. Besonders hier im überfüllten Krankenhaus, wo hinter jeder Ecke wahrscheinlich ein Erreger auf mich und andere immunsupprimierte Patienten wartet.

 

Im Nachbarzimmer liegt seit heute wieder eine neue Patientin: Sie schreit sobald sie wach ist. Meine Emphatie lässt wieder nach...

 

Tag 10 und 11: 

In den frühen Morgenstunden ist endlich der letzte Tropfen der "Immunglobuline G vom Menschen" (das steht so auf der Flasche) im Körper. Jedes der vier Fläschchen kostet übrigens fast einen Tausender. Meine Isolation wird aufgehoben, aber ich muss aber weiter höllisch aufpassen. Hier tobt wie bereits  die zweite Grippewelle und auch im direkten Nachbarzimmer hängt wieder ein Influenza-Warnschild an der Tür, dass da ja keiner ohne Schutz reingeht. Komisch, in meinem Fall wollten Sie per Umkehrisolation mich schützen und im Nachbarzimmer ist es "umgekehrt". In den letzten Wochen haben sich anscheinend trotz der Vorsicht im Krankenhaus sehr viel Ärzte und Pfleger/innen infiziert. Das Krankenhaus ist wie die meisten im Land überfordert mit der Situation. Es ist überall recht chaotisch: Die Praxen und Krankenhäuser sind randvoll mit schwerkranken Patienten und es gibt kaum professionelle Helfer. Eigentlich der ungünstigste Zeitpunkt, um eine Immunadsorptionstherapie zu machen. Da bin ich wirklich froh darüber, dass die Greifswalder Ärzte und die Adsorptionsspezialistin mir das ermöglichen!

 

Nachmittags geht es mir bereits spürbar besser. So langsam kommen die "Kräfte" zurück - auf niedrigem Niveau, aber immerhin. Jetzt noch eine Nacht, die letzte Blutentnahme, das Abschluss-Arztgespräch morgen Früh und dann kann ich nach Hause fahren.

 

In nicht ganz vier Wochen bin ich wieder hier! Ich freue mich ... nicht - bin aber dankbar, dass ich diese Therapie erhalten kann!

 


 

2. Zyklus April 2018, Tag 12 bis Tag 19:

 

Der zweite Therapie-Zyklus im April verläuft ähnlich wie der erste. Ich komme sogar wieder in dasselbe Zimmer wie beim letzten Mal. Der Dialysekatheter wird unter einer leichten Sedierung gelegt. Mir ist es lieber, wenn ich dabei etwas vor mich hin "schlummer". Der erste Tag an der Waschmaschine verläuft super - fast zu gut. Die Blutdrücke sind für meine Verhältnisse top. Am zweiten Tag wird es anders. Mir geht es schlechter, ich fühle mich total schlapp und bin erschöpft. Der Blutdruck ist im Keller unterwegs. Auch diesmal verringern sich im Laufe der Therapie die Thrombozyten so stark, dass der Plan umgestellt wird. Der ursprünglich geplante Blutmengendurchsatz wird deutlich reduziert. Das bedeutet eine geringere Belastung und eine Verkürzung der täglichen Waschzeit auf nur noch. ca. drei bis vier Stunden. Anfangs denke ich, dass das alles meinen erhofften Therapierfolg einschränken könne, aber man erklärt mir, dass meine Antikörper sehr gut auf dieses Verfahren ansprechen und entsprechend gut herausgefiltert werden. Es gibt deshalb auch in dieser Woche nur vier Behandlungstage, um das Blutungsrisiko aufgrund der niedrigen Thromozyten zu minimieren. Ich bin nicht unfroh darüber - so kann ich bereits am Sonntag wieder die Heimreise antreten. In nur drei Wochen muss ich wieder hier sein - es folgt die dritte Phase von insgesamt vier geplanten Behandlungszyklen. Hoffentlich hilft das alles und verschafft mir eine "Lebensverlängerung"...

 

Tag 19: 

Der Blitz schlägt ein!      

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit "beim Scheissen vom Blitz getroffen" zu werden?

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Der aus dem bayerischen Sprachraum stammende Fäkal-Fluch, mit dem man seinem ärgsten Widersacher und Feind das Schlimmste wünscht, scheint auf den ersten Blick statistisch eher selten einzutreten.

 

Nun, mich hat es erwischt!

 

Am letzten Tag im Greifswalder Uniklinikum passierte das, was ich seit 2006 immer ganz bewusst verhindern wollte: Eine sehr gut klebende  EKG-Klebeelektrode, die blöderweise direkt auf meinem Defibrillator positioniert war, wurde recht rabiat heruntergerissen. Genau soetwas sollte eigentlich in einem Krankenhaus nicht vorkommen, aber bei mir Glückspilz war es eben so. Es fühlte sich so an, als ob am Elektrodenpflaster der ganze Defi hängen geblieben ist. Ich habe mir erstmal nichts dabei gedacht, aber mitten in der Nacht auf dem Weg ins Bad, erwischte es mich das erste Mal als ich den Lichtschalter betätigte. Schlaftrunken dachte ich zuerst, ich hätte einen Stromschlag vom Schalter bekommen. Als mich mich einigermaßen vom ersten "Schock" erholt hatte, war mir jedoch klar, das hier etwas am Defi nicht in Ordnung war, denn ich hatte keine Arrhytmien und schon gar keine Tachykardien. Ich habe das am nächsten Morgen erwähnt, aber irgendwie konnte ich mir das selbst nicht richtig vorstellen und auf dem Überwachungs-EKG war nichts zu sehen, weil keines angeschlossen war und daher nichts aufzeichnet wurde ;-)

 

Also 600 km Heimfahrt am nächsten Tag ohne, dass der Defi Probleme gemacht hat und kaum zuhause angekommen ging es los: Bewegungsabhängig folgten dann in den nächsten Stunden noch 11 weitere Schocks aus heiterem Himmel und alle waren inadäquat, d. h. sie hatten keinen "kardiologischen" Grund. Besonders in Erinnerung blieb mir der letzte Defischock als ich gerade auf der der Toilette saß!

 

Schnell hatte ich die Vermutung, dass es sich um einen Elektroden- bzw. Kabelbruch handeln muss- ausgelöst durch die rabiate Pflasterentfernung. Nach den (gefühlt) langen 8 Tagen Aufenthalt in der Greifswalder Klinik ging ich direkt am nächsten Morgen bei mir am Wohnort zum Kardiologen, der meinen Verdacht bestätigte und mich gleich mit dem Rettungswagen zum nächstgelegenen Krankenhaus bringen ließ. Dort lag ich dann unter recht bescheidenen Bedingungen und "ans Bett gefesselt", aber mit deaktivierten Defi auf einer Überwachungsstation. Operieren lassen wollte ich mich dort im Provinzkrankenhaus aber keinesfalls und so musste ich fünf Tage (auf einen Operationstermin wartend) ausharren, bevor ich 3,5 Stunden liegend im Krankenwagen in mein "altes" und vertrautes Herzzentrum nach Hessen verlegt wurde.

 

Innerhalb von wenigen Tagen habe ich in drei Krankenhäusern in drei verschiedenen Bundesländern mit einer Gesamtentfernung von recht genau 1.000 km gelegen. Insgesamt war ich fast drei Wochen lang auf Krankenhaus-Tournee und nach nahezu 1800 km Rundfahrt durch die Republik wieder zuhause.

 

Die hessischen Kardiologen haben sich aus Gründen einer Nutzen-/Risikoabwägung jedoch gegen eine ursprünglich geplante CRT-Device-Implantation entschieden, die eigentlich bei meiner Form der Herzschwäche durch die entsprechenden Leitlinien indiziert wäre. Der Eingriff wäre wohl zu riskant gewesen und ein möglicher Nutzen des Resychronisationsgeräts wurde in meinem Fall aufgrund der großflächigen Vernarbungen als eher gering eingeschätzt. Also habe ich nun Defibrillator Nr. 3 und eine dritte Sonde implantiert bekommen. Der Defi wurde erneuert, weil er durch die vielen Schockabgaben leergeballert war. Die Batterie war leer! Er hielt aber immerhin fast 9 Jahre und hat mir in den ersten Jahren mehrfach durch adäquate Schockabgaben das Leben gerettet. Die beiden alten und defekten defekten Sondenkabel konnten leider nicht entfernt werden, da sie zu fest im Herzmuskel verwachsen sind. Das ist eher suboptimal, aber leider nicht zu ändern. Blöderweise schließt deswegen die Mitralklappe nicht mehr richtig. Die OP verlief jedoch aus Sicht der Ärzte wohl ganz zufriedenstellend und ich bin natürlich superglücklich, wieder einigermaßen wohlauf zu sein.

 

Jetzt muss ich mich erstmal von den ganzen Strapazen erholen. Ich bin fix und alle - auch im Kopf!

 

Übrigens: Ein Defibrillatorschock in maximaler Stärke ist nicht sonderlich lustig mit 40 Joule/800 Volt. 12 Schocks in zwei Tagen sind noch "blöder"... 

 


 

3. Zyklus Juni 2018, Tag 20 bis 28:

 

Durch den Defibrillatordefekt und die dringend notwendige Operation habe ich den  Zeitplan der  Immunadsorptionstherapie ändern müssen. Statt wie geplant im Mai meinen dritten Therapiezyklus zu beginnen, geht es nun erst im Juni weiter. Die neun Tage in der Greifswalder Unimedizin verlaufen mehr oder weniger so wie erwartet. Die ganze Sache ist halt für Körper und Psyche schon unheimlich belastend. Komplikationen gab es zum Glück keine und auch die Blutwerte waren diesmal recht ordentlich, sodass die Ärzte entscheiden, wieder auf fünf "Waschtage" von Montag bis Freitag zu gehen. Also noch einen weiteren Tag leiden. Die Gewichtszunahme durch die Wassereinlagerung ist wieder heftig - der ganze Körper ist aufgedunsen und meine kaputten Venen, die hier täglich mehrfach durchlöchert werden, wollen nicht mehr und verweigern oft die Abgabe von Blut. Die Blutentnahmen sind eine echte Tortur...

 

Ich bin diesmal wieder dermaßen müde und schwach, dass ich das Bett die ganze Zeit so gut wie nicht verlassen kann. Das bisschen Muskulatur und der Hauch von Kondition, die ich mir in den letzten Wochen so mühsam erarbeitet habe, sind wieder weg. Nichts geht, nach ein paar Schritten ist Feierabend.

Vier Wochen habe ich jetzt Zeit, um mich etwas zu erholen, denn Mitte Juli beginnt schon der vierte und vorerst letzte Behandlungszyklus.

       


Bislang 72 Tage mein Zuhause: Die Uniklinik Greifswald
Bislang 72 Tage mein Zuhause: Die Uniklinik Greifswald

4. Zyklus Juli 2018, Tag 29 bis 36:

 

Drei Wochen habe ich mich diesmal vom letzten Therapiezyklus erholen müssen - oder ich hatte einen Lupus-Schub: Ich war kraftlos und müde wie schon lange nicht mehr und hatte fast unerträgliche Muskelschmerzen. Wenn es noch länger so gegangen wäre, hätte ich den 4. und letzten IA-Termin absagen oder zumindest verschieben müssen. Aber gerade rechtzeitig ging es dann ein klein wenig besser. Also ab ins Auto und ohne funktionierende Klimaanlage bei einer Bullenhitze in 7 Stunden nach Greifswald gefahren...

 

Die Therapiewoche war anstrengend wie immer, aber die hohen Sommertemperaturen und die fehlende Klimaanlage auf der Überwachungsstaion waren für mich und alle anderen Patienten zusätzlich sehr belastend. Man muss wissen, dass Herzinsuffizientpatienten nicht mehr als 1,5 Liter Flüssigkeit am Tag aufnehmen sollten, um das Herz nicht zu stark zu belasten. Wieviel trinkt man, wenn man vor lauter Schwitzen im eigenen Saft liegt?

 

Die Behandlung wurde um einen Tag verkürzt, weil ich an meinem physischen und psychischen Ende angekommen war und die Ärzte auch der Meinung waren, dass es nun reicht. Ich hoffe, dass ich von den vier langen Behandlungszyklen profitiere und sich meine Herzpumpleistung wieder etwas verbessert. Messtechnisch und vor allem gefühlt gab es schon eine geringe positive Veränderung im Vergleich zu meiner Ausgangssituation Anfang des Jahres. Die Hoffnung stirbt bei mir zwar nicht zuletzt, aber ich versuche optimistisch zu sein. Es wird sich zeigen ...

 

An dieser Stelle übrigens ein "herzliches Dankeschön" an Herrn Professor Dr. Felix, die Stationsärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal und das  "Immunadsorptions-Team" (hier ganz besonders Schwester K.) für all die Dinge, die für mich getan wurden! Und natürlich auch ein "Danke" an die "Polternde Putzfrau", die den ganzen Abfall, der während der Therapie anfiel, täglich und immer schweigend entfernte!